Schönheitswettbewerb der Seelen
Wer mich kennt, weiss, dass es hier in erster Linie um die Schönheit der Seelen geht. „Wettbewerb“ ist natürlich metaphorisch gemeint.
Warum das Bewusstsein, dass wir weit mehr als unser Aussehen und „unsere äußere Hülle“ sind- so wichtig ist- neben jedem berechtigten Sinn für Ästhetik.
Die berühmte Passage im Buch „der kleine Prinz“ von Saint-Exupèry besagt so schön: „Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“
Das, was in dieser Welt von Bedeutung ist, ist für das Auge
unsichtbar.
In welchen Momenten nehmen wir dieses Phänomen am stärksten wahr? Zum Beispiel, wenn wir einen Menschen, der uns am Herzen liegt, in den Arm nehmen. In diesem Moment fühlen wir etwas, eine Wärme, eine Nähe, eine Verbindung, die für das Auge unsichtbar ist. Jeder Mensch ist größtenteils unsichtbar, dafür FÜHLBAR.
Was wir am Gegenüber mit dem Auge sehen, ist ein oberflächliches Phänomen.
Es ist ein Phänomen, das wir selbstverständlich mit vollen Zügen genießen
dürfen, genauso wie ein schönes Mahl. Ästhetik und äußerliche Schönheit sind
Geschenke, die wir freudvoll annehmen und erleben dürfen, – im Bewusstsein,
dass es sich hierbei um einen unwesentlichen Teil eines Menschen handelt.
Die Essenz und die wahre Lebendigkeit eines Menschen liegen
jenseits des physischen Körpers, jenseits jeder äußeren Erscheinung.
Denn das, was einen Menschen ausmacht, ist größtenteils
unsichtbar. Ja, selbst Gedanken und Emotionen sind größtenteils UNSICHTBAR. Manchmal manifestieren sie
sich zwar im Gesichtsausdruck, in der Miene einer Person.
Grundsätzlich: Jedes menschliche Wesen ist auf seine unvergleichliche Art und Weise von Natur aus in jedem Lebensalter perfekt, so wie es ist.
Wie unendlich vielfältig unsere Spezies ist! Nun gibt es unterschiedlichste Geschmäcker, Meinungen und Perspektiven dazu, welches Aussehen als „schön“, „anziehend“ und „attraktiv“ bezeichnet werden kann.
Allein die unterschiedlichen Epochen verdeutlichen uns, wie stark sich der Sinn für Ästhetik wandelt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ergötzte sich der Maler Rubens an beleibten Frauen mit üppigen Rundungen- ein damaliges Schönheitsideal. Jahrhunderte später galt eine Wespentaille als das Non plus Ultra.
Waren die Rubens-Frauen schöner oder die Frauen mit Wespentaille? Dafür gibt es keine Antwort. Meiner Auffassung nach sind sie beide gleichermaßen schön, – solange sie nicht einem Diktat unterworfen werden. Es gibt Frauen, die von Natur aus einer Rubens – Figur gleichen und es gibt Frauen, die von Natur aus mit ihrer Zierlichkeit bezaubernd sind. Beide sind vollkommen. Die Faszination liegt in der unendlichen Fülle und Vielfalt der Menschen. Ist es nicht wunderbar, wie unterschiedlich wir alle geschaffen wurden? Ist nicht jedes Individuum einzigartig schön? Wir dürfen sogar unser Aussehen selbst kreativ nach unserem Geschmack gestalten- nur möglichst nicht bis zur Qual und Selbst-Kasteiung.
Warum die Menschheit unter dem Phänomen der optischen Schönheit leidet.
Es ist verführerisch und gleichzeitig sehr gefährlich, sich mit einer optischen Attraktivität zu identifizieren. Stellen wir uns vor, wir sind eine Frau (oder ein Mann!) mit gutem Aussehen und wir werden dafür allgemein sehr bewundert. Dies ist ein Geschenk wie viele andere und als solches dürfen wir es annehmen und genießen.
Warum ist es gefährlich, unser Lebensgefühl von unserem Aussehen abhängig zu machen?
Weil die Identifikation mit äußerer Schönheit etwas ist, das wir -also die Essenz unserer Persönlichkeit- NICHT WIRKLICH sind. Sobald wir beispielsweise stolz darauf sind, wie im obigen Beispiel auszusehen, etwa schlank, gut gewachsen, trainiert, muskulös, feminin, sexy, verführerisch, etc…. schleicht sich das EGO ein. Vielleicht fühlen wir uns dadurch anderen überlegen, zum Beispiel, weil diese übergewichtig sind, oder weil sie aus irgendwelchen Gründen als weniger „attraktiv“ gelten.
Sich überlegen zu fühlen, – aus welchem Grunde auch immer (auch weil wir vielleicht vermögender, begabter, lustiger, charismatischer, erfolgreicher sind als andere) – ist EGO pur.
Das Fatale an der optischen Schönheit: Sie kann wunderbar demonstriert und vorgeführt werden. Frauen wissen seit Jahrtausenden, wie sie gewisse äußerliche Attribute gut einsetzen können, um Macht und Einfluss über manche Männer zu gewinnen. Umgekehrt gibt es ebenso Männer, die auf diese Weise agieren.
Wir können dieses Phänomen „Manipulation“ nennen. Es gehören immer zwei dazu: Manche Männer – auch Frauen- lassen sich allzu gerne von einer bestimmten Optik manipulieren und werden damit fremdbestimmt. Diese Art von Manipulation ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, in Mode, Marketing und Werbung.
Die wenigsten sind an diesem Punkt komplett frei, ich selbst bin es übrigens auch nicht. Ich bin ein Kind meiner Sozialisierung: Ich bin auch recht eitel. Ich möchte damit sogar meinem Gegenüber, zum Beispiel in meiner Arbeit- eine Form des Respekts ausdrücken.
Manchmal bewundere ich komplett uneitle Menschen- ich gehöre nicht
dazu.
Je schöner wir gelten, desto mehr leiden wir….
wenn wir mit der äußeren Erscheinung (und der damit einhergehenden Bestätigung im Außen) identifiziert sind- und eines Tages nicht mehr so aussehen wie in den ehemaligen Hoch- Zeiten. Unser ganzes Selbst wird dann einfach kurz mal über den Haufen geworfen.
Es hält nicht lange, wenn wir uns aufgrund unseres Aussehens anderen überlegen fühlen. Einige Jahre, vielleicht ein paar Jahrzehnte? Das ist eine im großen Ganzen bedeutungslose Zeitspanne. Unsere äußere Hülle ist den Gesetzen der stetigen Veränderung unterworfen. Niemand bleibt davon verschont. Wie stark die Schmerzkörper an diesem Punkt gesellschaftlich ausgeprägt sind, erkennen wir daran, welche Qualen Menschen auf sich nehmen, um jünger, schöner, frischer, attraktiver zu erscheinen.
Wieviele Frauen (auch Männer!) unterziehen sich den Risiken von Schönheits-Operationen und helfen mit Botox, Fettabsaugung und Silikon an den Punkten nach, in denen sie sich mangelhaft fühlen. Für sich genommen ist das eine freie Entscheidung. Wir haben das gute Recht, hier kreativ zu sein und uns selbst zu gestalten, wie es uns gefällt- ebenso wie wir unsere Haare beim Friseur schneiden lassen.
Nur sollten wir diese Entscheidungen nicht aus einer Bedürftigkeit, sondern aus einem besonderen Bewusstsein heraus treffen.
Die Gefahr dabei ist, dass Äußerlichkeiten von der wahren Essenz
eines Menschen ablenken.
Wenn wir uns ausschließlich um unsere optische Erscheinung sorgen,
was kommt dann zu kurz?
Ja, richtig – unsere Seele kommt zu kurz, denn wir reduzieren uns auf etwas, das ihr nicht gerecht wird – mit fatalen Konsequenzen.
Denn wir sind NICHT unsere optische Erscheinung.
Wir sind viel mehr, wir sind eine ewige, zeitlose Essenz.
Wir sind Bewusstsein.
Wir sind viel mehr als das, was ein Auge erfassen kann.
Wie können wir diesem Leid vorbeugen, das mit der Vergänglichkeit unserer äußeren Form zusammenhängt?
Wir können in jedem Moment achtsamer mit uns und unserer Essenz sein und damit beginnen, mit uns im Frieden zu sein und uns so akzeptieren, wie wir sind:
Alles in unserem jetzigen Leben ist „geliehen“. In dem Moment, in
dem wir die Form dieses Lebens verlassen und uns in die nächste Dimension
bewegen, lassen wir vieles hinter uns:
Unseren Besitz, unsere vermeintlichen „Reichtümer“, unseren Ruhm, unsere Erfolge, unser Ferienhaus, unseren Porsche, unsere Zweitwohnung. Unsere körperliche Hülle ist letztlich ebenfalls nur geliehen, vorübergehend und – wie alles Irdische- dem Verfall ausgesetzt.
Wenn wir uns nun – in der Blüte unseres Lebens- darin üben, uns mit unserem ALL-EINS-SEIN, der Präsenz jenseits des physischen Körpers- zu verbinden, hat dies zur Folge, dass wir kontinuierlich in der Gegenwart leben.
Erst dann sind wir mit unserer wahren, unmittelbaren Lebendigkeit verbunden, die heilsamer ist als jede verschönernde Maßnahme.
Wir dürfen uns der Schönheit unserer Seelen bewusst sein – in jedem Moment.
Ich rufe deshalb (metaphorisch) auf zum Schönheitswettbewerb der Seelen.
Wer ist die schönste Seele im ganzen Land?