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Violeta: An alle Ausnahme-Künstler(innen) dieser Welt

Violeta: An alle Ausnahme-Künstler(innen) dieser Welt

Mona singt „Gracias a la vida“ in der WABE Berlin bei „Annytime“, Foto: Johannes Sylvester Fluhr

„Gracias a la vida“

Dieser Tage dachte ich immer wieder an die chilenische Künstlerin Violeta Parra, die 1967 freiwillig aus dem Leben schied.

Ich singe gerne ihr Stück „Gracias a la vida“.

„Parra beging ein halbes Jahr vor ihrem 50. Geburtstag, am 5. Februar 1967 Suizid, – angeblich wegen des Scheiterns einer unglücklichen Liebesbeziehung und wegen finanzieller Probleme.“ (Wikipedia)

Von außen betrachtet ist ihr Schritt nicht nachvollziehbar.
Von außen betrachtet ist Violeta Parra ein chilenisches Ausnahme-Talent, eine Malerin und bildende Künstlerin, die auch mit Keramik und Plastiken arbeitete, deren Bilder weltweit bekannt und sogar im Louvre ausgestellt wurden. Eine Sängerin, Dichterin und Komponistin, die die in Vergessenheit geratene chilenische Folklore wieder in den Focus der Aufmerksamkeit gebracht hatte. Zu Lebzeiten wurde sie sehr geliebt und bewundert, es wurden sogar Filme über sie gedreht. Sie eröffnete noch kurz vor ihrem Ende ein kulturelles Zentrum in Santiago de Chile, das anfangs großen Anklang fand und seit 1966 weniger besucht wurde. Der finanzielle Druck muss für sie unerträglich gewesen sein, sodass sie keinen anderen Ausweg sah.

Zurück ließ sie Partner und drei Kinder. Kurz vor ihrem Tod hatte sie das heute wohl berühmteste ihrer Lieder – „Gracias a la vida“ – geschrieben.

Violeta gilt als Mitbegründerin der Nueva Canción, eine Gesangsbewegung Chiles, die die chilenische Folkloremusik erneuerte. Diese Bewegung vereinte Musikelemente der Folklore mit religiösen Formen und Inhalten der Protestbewegung und Sozialkritik der sechziger Jahre und erfasste das ganze Land. Nach dem Putsch in Chile 1973 wurde sie zum Ausdruck für das unter der Militärdiktatur leidende und kämpfende Chile.

„Gracias a la vida“ wurde nicht nur in der lateinamerikanischen Welt immer wieder neu interpretiert, auch internationale Künstler wie Joan Baez, Holly Near, Nana Mouskouri oder Richard Claydermann vertonten das Lied.

Das berührende Stück schenkte vielen Menschen in ausweglosen Situationen Trost.

Mercedes Sosa interpretierte es, Violetas Sohn Angel sang es während seiner Gefangenschaft unter der Pinochet-Diktatur, ihre Tochter Isabel im Exil.

Bis heute wird es von Studenten gesungen, die auf den Straßen Chiles gegen die Bildungsmisere ihres Landes protestieren.

So bleibt diese sensible, warme, weltverändernde Künstlerin mit ihrer Musik unvergesslich, ewig, zeitlos im Bewusstsein der Menschen.

Sie kämpfte wie so wie viele Ausnahmekünstler tagtäglich darum, ihrer Lebensaufgabe zu dienen und damit zu überleben.

Wie traurig der Gedanke ist, dass eine Frau wie Violeta, die diese Welt durch ihr Wesen, ihre Musik, ihre tiefen Texte, ihr bedingungsloses Sein- immens inspiriert und verschönert hat, wie es nur wenigen Auserwählten gelingt-, eine so große Einsamkeit und Verzweiflung empfunden hatte, dass sie  keinen anderen Ausweg sah, als das irdische Leben hinter sich zu lassen.

Obwohl es mit Sicherheit Möglichkeiten gegeben hätte, ihre Probleme zu lösen.

Ihr aus dem Leben-Scheiden hinterlässt in ihrer Nachwelt und bei ihren Angehörigen einen Schock, ein Trauma. Was sagt es über diese Welt, wenn solche Menschen wie sie keine Existenzberechtigung erfahren? Sondern tagtäglich darauf zurückgeworfen und reduziert werden, sich Strukturen anzupassen, die ihrer Berufung, ihrer Kreativität, ihrem Sein- entgegenstehen? Was sagt es über diese Welt, wenn „der Köder dem Fisch schmecken muss“ und destruktive Absurditäten hingegen Millionengewinne einbringen? Heißt es, dass die Ausnahmekünstler ihr Niveau reduzieren sollen, um überleben zu dürfen?

Es gibt ein Thema, das mich auf mysteriöse Weise mit Violeta Parra verbindet- so wie übrigens auch mit Frida Kahlo. Dem Lateinamerikanischen fühle ich mich sehr nahe, ohne jemals dort gewesen zu sein. 

Gracias a la vida.