Die Licht- und Schattenseiten des COVID-19-Virus, März 2020:
Kollektive Pause, überlastete Gesundheitssysteme, Panik, (un-)freiwillige Ruhe, Geisterstädte, Solidarität, ein Aufatmen der Natur und eine neue Balance zwischen Sein und Tun. Vielleicht mehr Raum für Kreativität?
Über Nacht steht unsere Welt auf dem Kopf, seit dem Virus COVID-19 – verändern sich unsere Welt und unsere Wirklichkeit im Minuten-Takt schlagartig.
Beunruhigende und erschütternde Bilder der Pandemie verbreiten sich in Lichtgeschwindigkeit in den sozialen Medien- und gehen hier in Deutschland seit wenigen Tagen im März 2020 einher mit bis vor kurzem unvorstellbaren Beschränkungen des sozialen Miteinanders und unserer heiligen Freiheitsrechte.
Innerhalb weniger Tage werden Kulturbetriebe, Kinos, Tanzschulen- und Veranstaltungen, Schulen und persönliche Zusammenkünfte aller Art eingestellt, nicht zuletzt Geschäfte (mit Ausnahmen von Lebensmittelläden, Supermärkten, Wochenmärkten, Apotheken, Drogerien), Restaurants und Cafès sind ab 18 Uhr geschlossen. Reisen, Tourismus und Flüge werden storniert.
Auch die Arbeitswelt verändert sich dramatisch:
Betriebe und Selbständige stellen soweit möglich auf ein Arbeiten von Zuhause aus um. Die allgemeine Devise lautet „bleibe zuhause und meide aus Sicherheitsgründen sämtliche soziale Kontakte“.
Ausgehsperren werden inzwischen diskutiert.
Was bedeutet dies für uns?
Niemand von uns weiß, wie lange dieser Zustand anhalten wird. Jeder von uns ringt auf seine eigene Weise damit, die gebotene innere Haltung zum Ganzen zu finden. Wir versuchen, nicht in Panik zu verfallen, sondern achtsam abzuwägen, verantwortlich mit der Situation umzugehen- und uns dabei selbst treu zu bleiben.
Wie alles im Leben beinhaltet diese Situation Licht- und Schattenseiten:
Als ich vor wenigen Tagen zum ersten Mal erfuhr, dass die Aktivitäten im Außen einzustellen sind, war mein erster Impuls ein klarer innerer Widerstand.
Meine Freiheit einzuschränken? Zum Beispiel meine Passion- den Tango Argentino pausieren? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen und ich sah es im ersten Moment auch nicht ein.
Sodann folgte ein neuer Impuls: Ich nahm eine neue, unerwartete Ruhe wahr. In der Morgendämmerung hörte ich die Vögel singen- waren sie nicht lauter und kraftvoller als sonst? Die Luft erschien mir klarer und sauberer als am Tag zuvor. Ich genoß die frische Frühlingsluft in vollen Zügen. Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein?
Als ich vor 2 Tagen zum ersten Mal in diesem Jahr kurzärmelig auf dem Balkon in der Nachmittagssonne saß, um zu schreiben, fühlte ich sogar Erleichterung.
Nimmt sich Mutter Natur mit dieser Situation gerade eine Zwangspause von uns egoistischer Spezies namens Mensch?
Eine Tatsache finde ich bemerkenswert: COVID-19 verordnet uns manche Opfer, die für Mutter Erde bereits vor langer Zeit sinnvoll gewesen wären.
Sehr anschaulich das Beispiel Fliegen: Jeder von uns weiß, wie schädlich die Vielfliegerei für die Atmosphäre und die nachkommenden Generationen ist- und das nicht erst seit Greta Thunberg.
Es ging an uns vorüber und änderte nichts am allgemeinen Konsum. Jeder war sich selbst der Nächste. Nach dem Motto „nach mir die Sintflut“ wurde über diese Fakten hinweggegangen und wie selbstverständlich der nächste kleine Trip mal eben auf die Kanaren gebucht, um dem trüben und grauen Berliner Winter zu entgehen.
Wie viele Deutsche flogen monatlich mehrfach – nicht beruflich- sondern rein aus Passion und Zeitvertreib?
Es ist verständlich, wie schön und inspirierend es ist, sicher und bequem zu reisen.
Aber nicht in diesem Ausmaß.
Die Klimakatastrophe bewog uns also nicht, das Fliegen einzuschränken.
Dann kommt ein bislang nicht erwähnter Virus- COVID-19- und über Nacht ist plötzlich das möglich, was zuvor undenkbar erschien?
Flüge werden massenweise abgesagt. Die Leute bleiben zu Hause. Da sie nicht mehr durch das Leben von einem Termin zum nächsten hetzen können, beginnen sie, sich auszuruhen. Die Ablenkungen im Außen sind auf ein Mindestmaß reduziert.
Da sie es müde sind, wie fremdgesteuert und leblos den ganzen Tag auf ihren Laptop oder ihr Iphone zu starren, beginnen sie, in sich zu gehen und sich seit langem selbst zu fühlen. Auf einmal genießen sie die Stille, hören dem Gesang der Vögel zu, kramen alte, längst vergessene Bücher aus dem Schrank.
Vielleicht beginnen sie sogar, ihren Familienmitgliedern, denen sie nun nicht mehr ausweichen können, zuzuhören. Manche erlauben es sich, zu meditieren und zu beten. Andere malen, tanzen oder singen vom Balkon.
Einige begegnen ihren Schatten und erlauben sich neue Sichtweisen.
Und die Erde atmet auf.
Mystiker nehmen an, dass diese Situation unserer Spezies dabei hilft, zu einem neuen Bewusstsein zu kommen. Das sind die Lichtseiten der Situation. Eine weiteres Phänomen werden wir in der Zukunft erleben dürfen: Sobald wir uns wieder freier bewegen können, werden wir eine neue Lebensfreude und Wertschätzung über all die Freiheiten empfinden, die so selbstverständlich waren, dass wir sie übersättigt nicht mehr geniessen konnten… Sei es das gewohnte Treffen mit Freunden im Cafè, der Kinobesuch, das Tanzengehen oder der Wochenendausflug…..
Die Schattenseiten sind die Opfer, die Krankheitsfälle, die Notsituation, die Verzweiflung in den Krankenhäusern. Vermutlich gibt es viele Krisensituationen für einsame Menschen, in Familien, die sich intern aushalten und neu ordnen müssen. Wird die Scheidungsrate nach COVID-19 sogar steigen?
Ich fühle mit meinem geliebten Land Italien mit, das Land, das ich so gerne bereise.
Warum muss es erst so weit kommen, bis wir in uns gehen und reagieren?
Und dennoch: Inmitten der Trauer gibt es neuen Mut: In Italien verbreitet sich über Nacht der Hastag #andratuttobene „Alles wird gut“ in den sozialen Netzwerken. Die Italiener trotzen auf ihre eigene, lebensbejahende Weise der Situation. Sie singen, musizieren, essen gemeinsam über die Webcam. Eine neue Solidarität entsteht.
Uns bleibt keine andere Wahl, als dieser Situation mit absoluter “ Jetzt-Präsenz“ zu begegnen.
Wir können die Stille, die uns nun angeordnet ist, akzeptieren. Wir können unser Herz öffnen und denjenigen helfen, die unsere Hilfe gerade benötigen.
Diese Stille wird die Welt verändern. Die Erde gibt uns eindeutige Zeichen, die wir nicht mehr ignorieren dürfen.
Der einzige Weg, der uns gerade bleibt, ist, diese Verbindung aufzunehmen und die Stille selbst zu sein.
Jeder einzelne Moment ist also eine Gelegenheit, in ein neues Bewusstsein zu gehen, die Stille zuzulassen, der Erde zuzuhören, uns Raum zu geben, uns erlauben, unsere Masken abzunehmen und wir selbst zu sein,
die Verbundenheit mit ALLEM zu spüren und ALL-EINS zu sein.